Die deutsche Energiepolitik steht vor gewaltigen Herausforderungen. Während kurzfristig über die gerechte Verteilung von Entlastungen wie der Energiepreispauschale debattiert wird, stellt die Bundesregierung langfristig die Weichen für eine grundlegende Reform der Förderungen für erneuerbare Energien. Ziel ist es, die Klimaziele zu erreichen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu gefährden.

Doppelzahlung der Energiepauschale sorgt für Kritik

Für Diskussionen sorgt aktuell die Auszahlung einer einmaligen Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300 Euro an Rentnerinnen und Rentner, die Anfang Dezember erfolgen soll. Grund für die Kritik ist, dass mehr als zwei Millionen von ihnen die Zahlung bereits zum zweiten Mal erhalten werden. Schon im September wurde die Pauschale an alle Erwerbstätigen ausgezahlt – dazu zählen auch Rentner, die nebenbei einer Beschäftigung nachgehen.

Einem Bericht der „Welt am Sonntag“ zufolge, der sich auf Angaben des Sozialministeriums beruft, sind rund 2,05 Millionen Rentenbezieher anspruchsberechtigt, die Pauschale sowohl als Erwerbstätige als auch als Rentner zu erhalten. Diese Gruppe setzt sich aus etwa 0,9 Millionen Rentnern in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und 1,15 Millionen mit einem Minijob zusammen. Hinzu kommen laut Deutscher Rentenversicherung rund 95.000 Versicherte, die zwischen September und dem Stichtag am 1. Dezember in den Ruhestand treten.

Die Bundesregierung verteidigt die Regelung. Das Bundessozialministerium stellt klar, dass die beiden Leistungen getrennt voneinander zu betrachten seien, da Rentner in beiden Personengruppen anspruchsberechtigt sein können. „Die Zahlungen schließen einander nicht aus“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums. Von der Auszahlung im Dezember werden insgesamt rund 20 Millionen Renten- und Versorgungsbezieher profitieren, die in den vorherigen Entlastungspaketen der Ampel-Regierung nicht direkt berücksichtigt worden waren.

Aus den Reihen der Opposition wird die Kritik lauter. Der stellvertretende Unionsfraktionschef Hermann Gröhe bezeichnete das Gesetz als „handwerklich schlecht gemacht“. Er könne nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung und insbesondere der Bundesarbeitsminister „sehenden Auges“ eine millionenfache Doppelzahlung in Kauf nehmen.

Strategiewechsel bei Erneuerbaren Energien: Abschied von festen Vergütungssätzen

Während die kurzfristigen Hilfen debattiert werden, arbeitet die Regierung an einer weitreichenden strategischen Neuausrichtung der Energiewende. Das Wirtschaftsministerium plant, die bisherigen Subventionen mit Festpreisen für neue Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien auslaufen zu lassen. Statt der über zwei Jahrzehnte bewährten festen Einspeisevergütungen soll zukünftig auf marktorientierte Förderinstrumente gesetzt werden. Damit folgt Deutschland den Leitlinien der Europäischen Union.

Kritiker argumentieren, dass die alten Förderinstrumente inzwischen zu teuer seien. Allein für das Jahr 2025 sind rund 16 Milliarden Euro dafür im Haushalt vorgesehen. Der Sektor der erneuerbaren Energien sei mittlerweile reif genug, um sich den Marktkräften zu stellen. Als Alternativen werden Modelle wie sogenannte Differenzverträge (Contracts for Difference) diskutiert. Bei diesem Modell erhält der Erzeuger einen Ausgleich, wenn der Marktpreis unter einen vereinbarten Wert fällt, muss aber umgekehrt die Differenz zurückzahlen, wenn der Preis darüber liegt.

Diese Reformen sind Teil des ambitionierten Ziels, bis 2030 einen Anteil von 80 % erneuerbarer Energien an der Stromversorgung zu erreichen und bis 2045 Klimaneutralität zu verwirklichen. Das Ministerium betont die Notwendigkeit von „Pragmatismus und Realismus“, um die Klimaziele mit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in Einklang zu bringen, die seit Jahren über hohe Energiepreise klagt.

Netzausbau und Versorgungssicherheit als zentrale Herausforderungen

Die Neuausrichtung ist auch eine Reaktion auf die wachsenden technischen Probleme. Obwohl erneuerbare Energien bereits knapp 60 % des deutschen Stroms liefern, führt ihre schwankende Verfügbarkeit immer wieder zu Problemen: Überschüsse bei viel Sonne oder Wind stehen Engpässen bei Flaute gegenüber. Dies stellt eine enorme Belastung für die Stromnetze dar.

Einem Monitoring-Bericht zufolge werden die Kosten für den Ausbau der Übertragungsnetze bis 2045 auf 440 Milliarden Euro geschätzt. Zusätzlich sind mehr als 235 Milliarden Euro für Investitionen in die Verteilnetze erforderlich. Die Regierung plant daher eine koordinierte Erweiterung von Stromnetzen, Erzeugungskapazitäten und Speichern. Gleichzeitig sollen flexible Reservekraftwerke, etwa wasserstofffähige Gaskraftwerke, priorisiert werden, die in einem bis 2027 geplanten Kapazitätsmarkt eine zentrale Rolle spielen sollen. In dem Bericht wird jedoch auch eingeräumt, dass das nationale Produktionsziel für Wasserstoff bis 2030 nicht erreicht werden kann.

Wirtschaft begrüßt Kurswechsel und fordert schnelle Umsetzung

Aus der deutschen Wirtschaft kommt Zuspruch für die geplanten Reformen. Wirtschaftsverbände wie der BDI und der VCI begrüßten den Kurswechsel hin zu mehr Effizienz. Sie mahnen an, den Fokus künftig mehr auf die Qualität und Systemdienlichkeit des Ausbaus zu legen statt allein auf die Menge. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstrich die Dringlichkeit: „Was es jetzt braucht, sind politischer Wille und Tempo, damit aus der Analyse schnell eine konkrete politische Umsetzung wird.“