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Der deutsche Immobilienmarkt am Scheideweg: Zwischen Provisionsstreit und dem Wandel der Generationen

Der deutsche Immobilienmarkt steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Während ein neues Gesetz die hohen Maklerkosten gerechter verteilen sollte, unterlaufen findige Makler die Regelungen. Gleichzeitig kündigt sich ein massiver Vermögenstransfer an die Generation der Millennials an, deren Wertvorstellungen die Stadtentwicklung und den Umgang mit Immobilien für immer verändern könnten.

Neues Gesetz, alte Probleme: Der Streit um die Maklerprovision

Seit Ende 2020 soll ein neues Gesetz für mehr Fairness beim Immobilienkauf sorgen. Es sieht vor, dass private Käufer eines Einfamilienhauses oder einer Eigentumswohnung maximal die Hälfte der Maklerprovision tragen müssen, sofern der Verkäufer den Makler beauftragt hat. Ziel war es, den Wettbewerb in einem oft starren Markt zu beleben, in dem zuvor – insbesondere in gefragten Lagen – die Käufer die gesamten Kosten allein tragen mussten.

Trotz eines aktuell ruhigeren Marktes mit weniger Aufträgen für Makler bleiben die Provisionssätze auf einem bemerkenswert hohen Niveau von bis zu 7,14 Prozent. Bei einem Hauskauf für 750.000 Euro bedeutet dies eine Provision von rund 54.000 Euro. Im EU-Vergleich sind diese Sätze extrem hoch; in Ländern wie den Niederlanden oder Skandinavien liegen sie oft nur bei 1 bis 2 Prozent, obwohl die Makler dort teilweise umfassendere Aufgaben, wie die Ausarbeitung von Kaufverträgen, übernehmen. Viele Verbraucher wissen zudem nicht, dass die Provisionshöhe frei verhandelbar ist. Besonders Verkäufer in attraktiven Märkten haben eine starke Verhandlungsposition und sollten die Leistungen und Angebote verschiedener Maklerbüros genau vergleichen.

Kreative Umgehung: Wie Makler das Gesetz aushebeln

Recherchen zeigen jedoch, dass sich viele Immobilienmakler nicht an die gesetzliche Teilungspflicht halten. Um lukrative Verkaufsaufträge zu erhalten, werden fragwürdige Absprachen mit den Verkäufern getroffen. Eine gängige Methode ist die heimliche Rückerstattung eines Teils der Provision an den Verkäufer nach Abschluss des Geschäfts.

Diese Umgehung erfolgt oft über sogenannte „Tippgeber-Verträge“. Dabei wird die Rückzahlung als Provision für einen angeblichen Tipp getarnt, der zur Immobilie geführt hat. Dieser „Tipp“ kommt dann offiziell von einem Strohmann, etwa einem Nachbarn oder Freund, und nicht direkt vom Verkäufer. Für den Käufer sind solche Absprachen kaum aufzudecken, da das Gesetz bei Verstößen keine Sanktionen vorsieht. Theoretisch könnten Käufer zwar den gleichen Betrag zurückfordern, den der Verkäufer erhalten hat, doch in der Praxis fehlt ihnen die Möglichkeit, die illegalen Deals nachzuweisen.

Der große Vermögenstransfer: Millennials erben den Immobilienmarkt

Während diese aktuellen Probleme den Markt belasten, zeichnet sich am Horizont ein weitaus größerer Wandel ab: der größte Vermögenstransfer der Geschichte. Schätzungen zufolge werden in den nächsten zwei Jahrzehnten zwischen 84 und 124 Billionen US-Dollar von der Generation der Babyboomer an die Millennials – geboren zwischen den frühen 1980er und späten 1990er Jahren – übergehen. Ein erheblicher Teil dieses Vermögens besteht aus Immobilien. Obwohl die Babyboomer nur 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen, besitzen sie 41 Prozent des gesamten Immobilienvermögens, darunter Wohnhäuser, Gewerbeimmobilien und entwicklungsbereite Grundstücke.

Werte statt reiner Rendite: Wie die neue Generation den Markt verändern wird

Dieser Generationenwechsel ist mehr als nur eine finanzielle Transaktion; er bringt einen tiefgreifenden Wandel der Werte mit sich. Die Millennials wurden durch die wirtschaftlichen Bedingungen zu Beginn ihrer Karriere geprägt – hohe Studienverschuldung und unsichere Jobaussichten führten dazu, dass klassische Lebensziele wie der Hauskauf später erreicht wurden. Diese Erfahrungen haben ihre Prioritäten verschoben.

Für Millennials stehen Sinnhaftigkeit und gesellschaftlicher Nutzen oft gleichberechtigt neben der finanziellen Rendite. Sie neigen dazu, den traditionellen Glauben an Einfamilienhaussiedlungen auf großen Grundstücken als einzig wahre Lösung infrage zu stellen. Stattdessen bevorzugen sie:

  • Begehbare und lebendige Stadtviertel: 85 Prozent der Millennials sind bereit, mehr für das Leben in einer fußgängerfreundlichen Umgebung zu zahlen, verglichen mit 69 Prozent der Babyboomer.

  • Gemischt genutzte Quartiere: Die Nähe zu lokalen Geschäften, Restaurants und Arbeitsplätzen, die eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen, ist ihnen wichtig.

  • Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung: Projekte wie die Umwandlung einer Industriebrache in einen öffentlichen Park (Manresa Island, Connecticut) durch zwei Millennial-Philanthropen zeigen den Trend zu gemeinwohlorientierter Entwicklung.

  • Bezahlbarer Wohnraum: Da sie die Hauptlast der Wohnungskrise tragen, liegt ihr Fokus verstärkt auf der Schaffung von bezahlbarem und erreichbarem Wohnraum.

Ein Aufruf zum Handeln: Städte und Erben in der Verantwortung

Um sich auf diesen Wandel vorzubereiten, sind Städte und Kommunen gefordert, ihre Bebauungspläne zu aktualisieren und politische Anreize für die Art von Entwicklung zu schaffen, die den neuen Werten entspricht. Eine aktive Zusammenarbeit mit großen Landbesitzern kann helfen, zukünftige Übergaben im Sinne öffentlicher Ziele zu gestalten.

Gleichzeitig haben die zukünftigen Erben die Chance, ihr Vermögen zu nutzen, um positive Veränderungen zu bewirken. Ob durch die Erhaltung von Grünflächen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder den Bau von nachhaltigem Wohnraum – die kommende Generation von Immobilieneigentümern hat das Potenzial, unsere Städte lebenswerter und gerechter zu gestalten.