Die Europäische Kommission hat am Dienstag eine überraschende und signifikante Lockerung ihres weitreichenden Anti-Entwaldungsgesetzes (EUDR) vorgeschlagen. Während Brüssel betont, es gehe um Bürokratieabbau und eine „intelligentere“ Umsetzung, sehen Kritiker darin ein Einknicken vor dem Druck von Handelspartnern wie den USA und eine Schwächung des Umweltschutzes. Die wichtigsten Handelspartner, darunter die USA und Brasilien, hatten zuvor moniert, dass das Gesetz zu übermäßigem Verwaltungsaufwand und höheren Kosten führe.

Ausnahmen für Tausende Unternehmen

Im Kern zielen die Änderungen darauf ab, Tausende von Unternehmen – meist innereuropäische Hersteller – von wesentlichen Anmeldeanforderungen zu befreien. Das 2023 verabschiedete Gesetz verlangt von Importeuren eigentlich eine Sorgfaltserklärung (Due Diligence Statement, DDS), die mittels Geolokalisierung und Satellitendaten nachweist, dass ihre Produkte nicht von Flächen stammen, die nach Dezember 2020 entwaldet wurden.

Die neuen Vorschläge sehen nun vor, dass nachgelagerte Hersteller, also Firmen, die importierte Rohstoffe lediglich einkaufen, verarbeiten oder verkaufen, keine eigenen Sorgfaltserklärungen mehr einreichen müssen. Sie sollen stattdessen verpflichtet werden, die Konformitätsdokumente ihrer Lieferanten aufzubewahren und weiterzugeben. Ein hochrangiger EU-Beamter erklärte, dass allein diese Änderung rund 9.000 Unternehmen von neuen Anmeldepflichten befreie.

Darüber hinaus sollen Kleinst- und Kleinproduzenten in Ländern mit geringem Entwaldungsrisiko – definiert als Betriebe mit weniger als 50 Beschäftigten und unter 8 Millionen Euro Jahresumsatz – gänzlich von der Erklärungspflicht ausgenommen werden. Für Kleinproduzenten soll eine einmalige Erklärung ausreichen.

Verschobene Fristen und betroffene Waren

Auch der Zeitplan des Gesetzes wird angepasst. Ursprünglich sollte die Verordnung Ende 2024 vollständig in Kraft treten. Dieser Termin wurde jedoch zweimal verschoben, zuletzt war Ende 2026 als Frist vorgesehen. Die Kommission schlägt nun vor, diese zweite Verschiebung teilweise rückgängig zu machen: Für große Unternehmen soll die Frist auf Ende 2025 vorgezogen werden, während kleinere Betriebe bis Ende 2026 Zeit für die Umsetzung erhalten.

Betroffen von der Maßnahme sind diverse Rohstoffe, bei denen ein hohes Entwaldungsrisiko gesehen wird, darunter Kaffee, Kakao, Soja, Holz, Palmöl, Rinder, bedrucktes Papier und Kautschuk.

Politische Kehrtwende als Handelszugeständnis

Die abrupte Kehrtwende Brüssels wird von Beobachtern als strategischer Schritt in laufenden Handelsverhandlungen gewertet, insbesondere mit der US-Administration unter Präsident Donald Trump. Washington betrachtet das EUDR als Handelshemmnis, das amerikanische Exporte unfair blockiert.

Noch im Vormonat hatte Brüssel eine weitere Verschiebung des Gesetzes mit Problemen bei den IT-Systemen begründet. Nun heißt es, das System sei startklar – allerdings nur, weil die vorgeschlagenen Änderungen die Anzahl der meldepflichtigen Unternehmen drastisch reduzieren.

Intern wird in Brüssel offenbar die Strategie verfolgt, den eigenen Bürokratieabbau als Zugeständnis an die Forderungen Trumps zu „verpacken“. Ein ähnliches Vorgehen war bereits im September beobachtet worden, als Brüssel die Verordnung nach Druck aus Indonesien, dessen Palmölindustrie stark betroffen ist, im Rahmen eines Handelsabkommens verzögerte.

Der Haken für US-Exporteure

Trotz der angeblichen Zugeständnisse an die USA bleibt der Kern des Problems für amerikanische Unternehmen bestehen: Für große US-Exporteure von Rindfleisch, Sojabohnen, Kaffee oder Holz ändert sich nichts. Sie müssen weiterhin die vollen Sorgfaltserklärungen inklusive der Geolokalisierungsdaten einreichen. Brüssel kann somit behaupten, auf die USA zugegangen zu sein, während die als protektionistisch kritisierten Handelsbarrieren für wichtige US-Waren intakt bleiben.

Scharfe Kritik von Umweltschützern

Umweltorganisationen reagierten Minuten nach der Ankündigung mit Entsetzen. Der WWF nannte den Vorschlag eine „schändliche Kapitulation vor politischem Druck“. Die Organisation ClientEarth warnte, dass die „in letzter Minute eingeführten rechtlichen Ausnahmen“ Schlupflöcher schaffen könnten. Michael Rice, ein Anwalt von ClientEarth, kritisierte, die Änderungen würden „faktisch den Nachzüglern Immunität gewähren“, die sich nicht vorbereitet haben, und jene Unternehmen bestrafen, die in gutem Glauben in die Einhaltung der Vorschriften investiert hätten.

Die Kritik unterstreicht den politischen Balanceakt Brüssels: Einerseits der Druck von 1,1 Millionen europäischen Bürgern, die Maßnahmen gegen die Entwaldung forderten, andererseits die Lobbyarbeit von Industrie und Handelspartnern. Die EU-Kommission verteidigt sich mit dem Argument, die Rückverfolgbarkeit bleibe intakt, da die Importeure weiterhin die volle Verantwortung trügen.

Die Änderungen müssen nun im Eilverfahren vom Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten genehmigt werden, um die Frist Ende des Jahres (für die Implementierung 2025) einzuhalten.