Für Millionen von Menschen beginnt der Tag mit einer Tasse Kaffee, weltweit werden täglich rund zwei Milliarden Tassen konsumiert. Doch ein neues Gesetz der Europäischen Union könnte bald nicht nur die Kaffeebohnen, sondern auch das Leben der Bauern, die sie anbauen, nachhaltig verändern. Gleichzeitig sorgen bereits bestehende Lieferengpässe und Handelsspannungen für einen starken Anstieg der Kaffeepreise an den Weltmärkten.

Strenge Nachweispflichten gegen Entwaldung

Ab 2026 tritt die neue EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) vollständig in Kraft. Sie verlangt von Unternehmen, die Kaffee auf dem EU-Markt verkaufen, den Nachweis, dass ihre Produkte „entwaldungsfrei“ sind. Das bedeutet konkret: Jede Packung Bohnen, jedes Glas Pulverkaffee und jede Kaffeekapsel muss bis zu den Kaffeepflanzen auf einer spezifischen Landparzelle zurückverfolgt werden können. Diese Fläche darf nach dem Stichtag, dem 31. Dezember 2020, nicht durch Waldrodung entstanden sein. Die Regelung ist Teil einer umfassenderen Strategie der EU, um zu verhindern, dass der Konsum in Europa die globale Entwaldung vorantreibt, die für rund 10 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist und maßgeblich zum Verlust der Artenvielfalt beiträgt.

Die konkreten Anforderungen für Unternehmen

Um die Vorschriften zu erfüllen, müssen Importeure und Händler ihren Kaffee bis zu seinem genauen Ursprung zurückverfolgen – bis hin zur einzelnen Parzelle, auf der die Bohnen angebaut wurden. Dafür müssen sie den EU-Behörden präzise Geolocation-Daten und eine lückenlose Dokumentation der Lieferkette vorlegen. Zusätzlich müssen sie, oft mithilfe von Satellitenbildern, belegen, dass die Anbaufläche bereits vor dem Stichtag Ende 2020 waldfrei war. Die neuen Regeln sollten ursprünglich Anfang 2025 in Kraft treten, wurden aber nach Protesten aus vielen Anbauländern verschoben. Die meisten Unternehmen müssen die Vorschriften nun bis zum 30. Dezember erfüllen, während Kleinunternehmen eine verlängerte Frist bis zum 30. Juni 2026 erhalten.

Potenzielle Gewinner und Verlierer in der Lieferkette

Die Kaffeelieferkette ist äußerst komplex und umfasst Millionen von Landwirten, Zwischenhändler, Verarbeiter, Exporteure und Röstereien. Die EU-Verordnung fügt diesem System weitere Kontrollpunkte und einen erheblichen bürokratischen Aufwand hinzu. Insbesondere kleine landwirtschaftliche Betriebe könnten durch die neuen Regeln ins Hintertreffen geraten. Wenn sie die geforderten GPS-Koordinaten auf Parzellenebene und die Entwaldungsnachweise nicht liefern können, drohen sie, ihre Verträge und den Zugang zum weltweit größten Kaffeemarkt zu verlieren. Dies könnte dazu führen, dass Einkäufer sich auf größere Plantagen oder organisierte Kooperativen konzentrieren, die die Dokumentation leichter erbringen können. Im Gegensatz dazu könnten größere Kaffeeanbaubetriebe, die bereits über moderne Rückverfolgbarkeitssysteme verfügen, einen klaren Wettbewerbsvorteil erlangen.

Globale Marktreaktionen und aktuelle Preistrends

Die neuen Vorschriften stießen international auf Kritik. Regierungen und Industrieverbände aus Lateinamerika, Afrika und Südostasien warnten vor Handelshemmnissen, und bei der Welthandelsorganisation (WTO) wurden Beschwerden eingereicht. Diese regulatorische Unsicherheit trifft auf einen bereits angespannten Markt. Kürzlich überschritten die Futures für Arabica-Kaffee in New York erstmals seit April die Marke von 4 US-Dollar pro Pfund. Der Preis für Arabica-Bohnen, die von Ketten wie Starbucks für ihre Spezialitätenkaffees bevorzugt werden, ist seit Anfang August um rund 47 % gestiegen. Als Hauptgründe für diese Entwicklung gelten anhaltende Trockenheit beim Top-Produzenten Brasilien, US-Zölle auf Lieferungen aus dem südamerikanischen Land sowie allgemein geringere Lagerbestände. Die EU-Verordnung könnte diesen Preisdruck in Zukunft weiter verstärken, indem sie die Verfügbarkeit bestimmter Kaffeesorten verringert.