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Europa am Scheideweg: Großbritannien verankert Krypto-Eigentumsrechte, während Polens Präsident Regulierung stoppt

Die europäische Landschaft für digitale Vermögenswerte entwickelt sich derzeit in zwei völlig unterschiedliche Richtungen. Während Großbritannien mit einem historischen Gesetzesschritt für rechtliche Klarheit sorgt und Kryptowährungen formell als Eigentum anerkennt, ist in Polen ein heftiger politischer Streit um die Kontrolle des Marktes entbrannt. Dort stoppte der Präsident überraschend ein umfassendes Regulierungsgesetz, was die Regierung in Warschau in Aufruhr versetzt.

Historischer Meilenstein in London

In Großbritannien wurde in dieser Woche Rechtsgeschichte geschrieben. Nachdem das „Property (Digital Assets etc) Bill“ formell im House of Lords durch John McFall angekündigt wurde, erhielt es die königliche Zustimmung von König Charles. Damit ist der Weg frei: Kryptowährungen und Stablecoins werden künftig nicht mehr als rechtliche Grauzone, sondern als vollwertiges persönliches Eigentum behandelt. Für Inhaber digitaler Assets bedeutet dies, dass sie nun auf derselben rechtlichen Basis stehen wie Besitzer traditioneller Vermögenswerte.

Branchenvertreter feiern diesen Schritt als längst überfälligen Durchbruch. Die Organisation „Bitcoin Policy UK“ bezeichnete das Gesetz als „massiven Fortschritt“, da es endlich gesetzlich verankert, was Richter bisher mühsam in Einzelfallentscheidungen herleiten mussten. Bislang basierte der Schutz digitaler Token im britischen Common Law oft auf verstreuten Urteilen, was immer wieder zu Unsicherheiten führte.

Ende der juristischen Unklarheit

Das Kernproblem der bisherigen Gesetzgebung lag in der veralteten Definition von persönlichem Eigentum. Das britische Recht unterschied traditionell lediglich zwischen „things in possession“ (physischen Objekten) und „things in action“ (vertraglichen Rechten). Kryptowährungen passten in keine dieser Kategorien so recht hinein, was Juristen seit Jahren Kopfzerbrechen bereitet. Das neue Gesetz folgt nun einer Empfehlung der Law Commission von England und Wales aus dem Jahr 2024 und löst dieses Dilemma auf elegante Weise: Es bestätigt, dass Dinge, die digitaler oder elektronischer Natur sind, als persönliches Eigentum behandelt werden können, selbst wenn sie die alten Definitionen nicht erfüllen.

Die praktische Relevanz dieser Neuerung ist enorm. Laut dem Branchenverband CryptoUK erleichtert die Änderung Gerichten die Beilegung von Streitigkeiten erheblich, sei es bei gestohlenen Geldern, im Erbfall oder bei Unternehmensinsolvenzen. Insbesondere die Wiederbeschaffung von Token nach Betrugsfällen steht nun auf einem deutlich festeren Fundament. Für die britische Regierung ist dies zudem ein strategischer Schachzug: Mit rund 12 Prozent der britischen Erwachsenen, die bereits Kryptowährungen halten, soll das Gesetz den Standort Großbritannien als globalen Hub für digitale Finanzen stärken.

Politisches Veto in Warschau

Während London also den roten Teppich für die Krypto-Industrie ausrollt, herrscht in Polen Katerstimmung bei den Regulierern. Präsident Karol Nawrocki legte am Montag sein Veto gegen das „Gesetz über den Markt für Krypto-Werte“ ein und blockierte damit ein umfassendes Regelwerk, das die Branche unter strikte staatliche Aufsicht gestellt hätte. Seine Begründung ist deutlich: Das Gesetz bedrohe die Freiheit der Polen, ihr Eigentum und letztlich die Stabilität des Staates.

Der Gesetzentwurf, der ursprünglich im Juni eingebracht wurde, hatte zum Ziel, die polnische Digital-Asset-Industrie strenger zu kontrollieren. Befürworter innerhalb der Regierung argumentierten, diese Maßnahmen seien zwingend notwendig, um Verbraucher vor Betrug und missbräuchlichen Praktiken zu schützen. Kritiker, darunter der Oppositionspolitiker Tomasz Mentzen, hatten jedoch frühzeitig gewarnt, dass der Entwurf ein stumpfes Schwert sei, das legitime Unternehmen genauso treffe wie kriminelle Akteure – und genau diese Sichtweise hat sich der Präsident nun zu eigen gemacht.

Angst vor Zensur und Abwanderung

Besonders ein Aspekt des gescheiterten Gesetzes sorgte für scharfe Kritik aus dem Präsidialamt: Die Klausel, die Behörden weitreichende Befugnisse zur Sperrung von Webseiten mit Krypto-Bezug eingeräumt hätte. In einer offiziellen Erklärung warnte Nawrocki, dass solche Gesetze zur Domain-Sperrung undurchsichtig seien und Missbrauch Tür und Tor öffneten. Die Instrumente könnten weit über ihren ursprünglichen Zweck hinaus eingesetzt werden, was eine Gefahr für die Informationsfreiheit darstelle.

Zudem verwies der Präsident auf die wirtschaftlichen Risiken einer Überregulierung. Im Vergleich zu den schlankeren Rahmenbedingungen in Nachbarländern wie Tschechien, der Slowakei oder Ungarn sei das polnische Gesetz viel zu komplex und bürokratisch. Nawrocki warnte eindringlich davor, dass zu strikte Regeln und die im Gesetz verankerten hohen Aufsichtsgebühren Startups abschrecken würden. Dies begünstige lediglich große ausländische Banken und treibe innovative Firmen sowie deren Steuereinnahmen in kryptofreundlichere Jurisdiktionen wie Litauen oder Malta. Es sei eine „Umkehrung der Logik“, einen wettbewerbsfähigen Markt abzuwürgen.

Regierung warnt vor „Chaos“

Die Reaktion der Regierung in Warschau ließ nicht lange auf sich warten und fiel heftig aus. Finanzminister Andrzej Domański warf dem Präsidenten vor, sich „für das Chaos entschieden“ zu haben. Außenminister Radosław Sikorski warnte zudem, dass das Fehlen neuer Kontrollen die Sparer schutzlos zurücklasse, sollte sich der Markt gegen sie wenden. Der Konflikt verdeutlicht die Zerrissenheit der polnischen Politik: Während Krypto-Befürworter das Veto als Sieg für die Bürgerrechte feiern, sehen Regierungsvertreter darin eine gefährliche Einladung zur Unordnung. Europa bleibt somit auch weiterhin ein Flickenteppich, wenn es um den Umgang mit der digitalen Finanzwelt geht.